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Das Jahr 1940 brachte nicht nur hinsichtlich des Kriegsgesche-

hens neue Entwicklungen, auch Günthers Leben erfuhr tief

greifende Veränderungen. Das Jungvolk und seine damit ver-

knüpften Ambitionen beeinflussten dabei zunehmend sein Den-

ken und Handeln. Zunächst verlief das Leben in Brühl jedoch in

weitgehend geordneten und angesichts des Kriegszu-

standes recht ruhigen Bahnen. Die ersten Monate

des Jahres waren von Schule und Jungvolkdienst be-

stimmt, der ausweislich der Tagebucheintragungen

immer häufiger durch „Führerschulungen“ und „Füh-

rerbesprechungen“ ergänzt wurde. Günther Roos ver-

folgte den einmal eingeschlagenen Weg eines Jung-

volkführers also zielstrebig weiter. Am 20. März 1940

durfte er dann erstmals eigenständig einen Heim-

abend abhalten.

Das war zugleich der Tag, an dem die Osterferien

begannen und der ihm die Sicherheit brachte, dass er

in die nächste Klasse versetzt wurde. „Ob ich steige?“,

hatte er noch am 16. März notiert, um dann vier

Tage später zu jubeln: „Hurra! Ferien! Bin gestiegen!“

Das sollte im Übrigen das letzte Mal sein, dass sich

Günther um seine Versetzung sorgen musste. 2008

äußerte er in dieser Hinsicht: „Die Jungvolkkarriere

hatte zwei Folgen: Erst einmal wurde ich ehrgeizig

und wollte mehr haben. Das hatte aber auch einen

positiven Effekt: Ich wollte als Führer in der Hitlerju-

gend auch Vorbild sein und habe mich daher in der

Schule sehr engagiert; ich wurde auch da strebsam.“

So konnte er zugleich die Sorge seiner Eltern, das En-

gagement im Jungvolk könne die ohnehin nicht

übermäßig guten schulischen Leistungen noch weiter

beeinträchtigen, zerstreuen. „Hoffentlich bleiben die

Sterne seiner HJ-Führerlaufbahn nicht derart, dass

ich als Vater mit Graus und Schrecken dem Weih-

nachts-Zeugnis entgegenschauen muss“, schrieb Va-

ter Toni noch im August 1940 an seine Frau. Zugleich

erwachte in Günther nun aber auch in anderer Hinsicht das

Streben nach Höherem, wie er später ausführte: „Die zwei Wege:

einmal in der Schule und in der Hitlerjugend. Das war Ehrgeiz,

das war reiner Ehrgeiz. Ich wollte was werden, und ich wollte

Macht ausüben. Und das wurde natürlich gefördert.“

Bei diesem Vorhaben sah er sich wieder auf sich allein ge-

stellt. Nachdem Bruder Gustav im November zur Aufnahme

eines Architekturstudiums vorübergehend von der Wehrmacht

freigestellt worden war, absolvierte er vom 4. Dezember bis An-

fang April 1940 ein Praktikum als Maurer bei der Firma Hoch-

tief im benachbarten Knappsack und teilte sich in der elter­

lichen Wohnung wieder das Zimmer mit Günther. Anschlie-

ßend zog er dann aber zum Studium nach Hannover, was für

den jüngeren Bruder wieder einen harten Schlag darstellte.

„Günther scheint sich sehr verlassen vorzukommen, schreibe

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Günther Roos in Jungvolkuniform mit

der rot-weißen Führerschnur eines

Jungenschaftsführers. Dieses Pass-

bild wurde am 20. Februar 1940

aufgenommen.

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1940: „Es ist bald wie im Märchen. Deutschland wird siegen!“