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Filmankündigung in

der

Brühler Zeitung

,

22. November 1940

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kannte und sogar benannte, ganz offensichtlich von den ideo­

logisch gefärbten Absichten der Produktionen erfassen und be-

einflussen.

Hinsichtlich der zahlreichen Filme mit rassistischem Hinter-

grund hielt sich Günther Roos mit Tagebucheintragungen hin-

gegen auffällig zurück, ohne dass er hierfür in der Rückschau

eine Erklärung geben konnte. Natürlich zählte er zu jenen, die

unbedingt den groß angekündigten antisemitischen Film

Jud

Süß

[

Ü

43]

sehen wollten. Als er am 24. November 1940, einem

Sonntag, hierzu den ersten Versuch unternahm, musste er ent-

täuscht nach Hause zurückkehren, denn bezeichnen-

derweise war das Brühler „Apollo“ dem Besucheran-

sturm nicht gewachsen. Als er das Machwerk dann

am folgenden Tag gesehen hatte, enthielt er sich aber

jeglicher Kommentierung. Und auch, als er Mitte Sep-

tember 1941 – und damit mehr als ein Jahr nach des-

sen Uraufführung – die ebenfalls antisemitische

Produktion

Die Rothschilds

[

Ü

44]

besucht hatte, fiel

Günther Roos’ Tagebuchkommentar knapp und we-

nig begeistert aus: „War ganz gut, nur zu tendenziös.“

Ob er auch den pseudodokumentarischen Film

Der

ewige Jude

gesehen hat, ist zwar wahrscheinlich, den

überlieferten Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen.

Andererseits betonte er im Rückblick aber immer

wieder, wie tief greifend der Einfluss gewesen sei,

den gerade die rassistisch orientierten NS-Filme auf

ihn gehabt hätten. Insbesondere an

Jud Süß

, so er-

zählte Günther Roos im Jahr 2008, könne er sich in diesem Kon-

text gut erinnern: „Es wurde da in dem Film ja das gezeigt, was

man innerlich empfunden hat.“ Überhaupt habe die gesamte an-

tisemitische Propaganda „eine enorme Wirkung“ gehabt, die –

wie er besonders betonte – bei ihm noch sehr lange Zeit, bis in

die 1970er- und 1980er-Jahre, angehalten habe. Auch wenn sol-

che (Langzeit-)Effekte sicherlich nicht allein auf den Besuch ent-

sprechender Filme zurückzuführen sind, sollten deren Auswir-

kungen gerade auf Heranwachsende nicht unterschätzt werden.

Günther Roos jedenfalls zeigte sich noch 2012 zutiefst von der

großen Wirkung des Kinos in der NS-Zeit überzeugt: „Die wa-

ren so eindrucksvoll, die Filme, da brauchte man nicht mehr

drüber zu sprechen.“

Das zeigt sich vielleicht am deutlichsten an einem anderen

Propagandafilm, der im Tagebuch gar keinen Niederschlag fand,

den Günther Roos aber definitiv gesehen hat:

Ich klage an

[

Ü

45]

.

Er wurde im August 1941 uraufgeführt und warb unter dem

Deckmantel einer rührseligen Geschichte einer an multipler

Sklerose erkrankten Arztgattin massiv für die „Euthanasie“, in-

dem die Erkrankte im Film ihren Mann inständig bittet, sie mit

einer Überdosis an Medikamenten zu töten. Günther Roos wie

fast die gesamte deutsche Öffentlichkeit setzte sich zu genau je-

ner Zeit intensiv mit dem Thema „Euthanasie“ auseinander. So

wurde im nachmittäglichen Religionsunterricht, den er noch

43 Ü Der Film: „Jud Süß" 44 Ü Der Film: „Die Rothschilds“ 45 Ü Der Film „Ich klage an“

Günther Roos und die Medien seiner Zeit

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