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immer auf freiwilliger Basis besuchte, am

20. Oktober 1940 „über die Euthanasie

gestritten und über die Sterilisation“. Die

Positionen waren klar: „Ich war dafür“,

während der Pfarrer in den Augen des

17-Jährigen „keinen schlagenden Gegen-

beweis“ habe führen können.

Ich klage an

,

so betonte Günther Roos 2012, sei ihm

dabei damals eine wichtige Argumentati-

onshilfe gewesen, weil der Film in seinen

Augen eine „vernünftige Lösung“ des Pro-

blems angeboten habe. Dessen Aussage

habe er damals als „eindeutig“, „sehr wir-

kungsvoll“ und letztlich „beindruckend“

empfunden.

Zugleich machte Günther Roos im

Rückblick auf die Zeit deutlich, dass es in

aller Regel nie eine Instanz oder gar ein

Medium allein war, dass eine solch nachhal-

tige Beeinflussung auszulösen vermochte.

Filme, so seine Einschätzung, konnten

sicherlich gute und wirkungsvolle Trans-

130 /

Titelseite des

Illustrierten

Film-Kuriers

für den Film

Ich klage an

, 1941

130

porteure ideologischer Inhalte sein. Ihre

volle Wirksamkeit konnten sie jedoch nur

dann entfalten, wenn die entsprechenden

Themen auch im Alltagsleben – sei es in

der Schule, im Jungvolk oder, wie sicher-

lich im Fall von Günther Roos, in der

Familie – diskutiert wurden und dabei

die NS-Propaganda zum Tragen kam.

Verstärkend traten dann in Form von

Zeitungen und Zeitschriften, Ausstellun-

gen oder Radiobeiträgen noch weitere

Medien hinzu.

Eine Sonderform propagandistischer

Beeinflussung stellte die Vermittlung aktu-

eller Nachrichten dar, der insbesondere in

Kriegszeiten eine stetig wachsende Bedeu-

tung zukam. Hierbei stachen neben den –

an anderer Stelle bereits erwähnten –

Sondermeldungen

im Radio und in ganz

besonderemMaße die

Wochenschauen

im

Kino heraus. Sie hätten damals, so erin-

nerte sich Günther Roos im Jahr 2008,

eine sehr große Rolle gespielt – „vor allem

natürlich später im Krieg mit den Sieges-

meldungen“. Die jeweiligen Beiträge seien

„ja doch äußerst geschickt gemacht“ ge­

wesen. „Man sah ja grundsätzlich keine

deutschen Toten. Man sah nur Siege und

Vormarsch, selbst wenn es zurückging.

Also, die

Wochenschauen

hatten einen

großen Einfluss auf unser Empfinden im

Krieg.“ Gerade bei ihm, den es zur Wehr-

macht und zum Fronteinsatz drängte,

hätten die Wochenschauen häufig „etwas

Hurra-Patriotismus“ ausgelöst: „Wir sind

die Größten! Und wir haben das Glück,

den größten Feldherrn aller Zeiten zu

haben.“

Das Interesse an den in den

Wochen-

schauen

[

Û

46]

vorgeblich aus erster Hand

angebotenen Informationen war zeitweise

so groß, dass es den ursprünglichen Sinn

des Kinobesuchs, den Hauptfilm, in den

Hintergrund drängte. „Wollte ins Kino ge-

hen, da noch nicht die neue Wochenschau

lief, bin ich wieder nach Hause gegangen“,

notierte Günther Roos etwa am 19. Juli 1941

im Tagebuch. Und zwei Tage später hieß es:

„War nachmittags in dem Film ‚Der Weg

ins Freie‘ mit Zarah Leander. War ganz gut.

Die

Wochenschau

war besser.“ Am 4. De-

46 Ü „Kulturfilme“ und „Wochenschau“

Günther Roos und die Medien seiner Zeit

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