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Sieg glaubt, mag da kommen, was da will.

In guten Zeiten Nationalsozialist zu sein

und an den Führer glauben und auf unse-

re Kraft zu vertrauen, ist leicht. Das kann

jeder kleine Geist. Da war sogar

Onkel Jupp begeistert. Das aber jetzt in

Krisenzeiten zu tun, ist nicht einfach.“ Er

würde es sehr bedauern, wenn sein Vater

eine solche Überzeugung nun nicht mehr

aufbringen könne; „in diesem Fall wür-

dest Du mir leidtun“. Entscheidend sei

auch in diesem Krieg „die letzte Schlacht,

und die gewinnen wir!!“ An der Front je-

denfalls glaube man weiterhin „fest an

den Sieg, und [wir] lassen uns durch

nichts erschüttern“. Auch wenn im Osten

„der Russe überall in Deutschland“ ein-

dringe, sei dessen Stunde noch nicht ge-

kommen. „Und sie wird kommen! Verlas-

se Dich darauf!!“

Diese im Brief geäußerte Sicht blieb

fortan die felsenfeste, an Stärke eher noch

zunehmende Überzeugung eines jungen

Offiziers, der immerhin einen gewissen

Überblick über die aussichtslose Lage an

den Fronten hatte. Entsprechend unnach­

giebig wurde gekämpft und getötet.

„Zwei Tote, ein Verwundeter. Am Abend

erster Angriff auf den Brückenkopf.

Wirksame Unterstützung der Werfer

beim Kessel. Siegesfeier mit Oberstleutnant

von Holunder“, skizzierte Günther am

29. Januar beispielsweise in aller Kürze ei-

nen Vorgang, den er 1989 dann ausführ­

licher kommentierte. Demnach hatten

die von ihm befehligten Werfer mehrere

genaue Salven auf eine amerikanische

Stellung an der Our abgefeuert, woraufhin

deutsche Fallschirmjäger und eine Sturm-

geschützabteilung „mit Hurra-Rufen einen

Gegenangriff“ unternahmen und – unter

Inkaufnahme zahlreicher Toter – die

Amerikaner „weit hinter ihre Ausgangs-

stellung“ zurückdrängten. „Die anschlie-

ßende Siegesfeier artete in ein schreckli-

ches Besäufnis aus“, so Günther Roos

rückblickend. Wenn die Ardennenoffen-

sive auch längst zusammengebrochen

und die allgemeine Lage mithin vollkom-

men aussichtslos war, wurde jeder noch

so kleine Erfolg als Kriegswende gefeiert.

Wie überzeugt zumindest Günther dabei

weiterhin vom „Endsieg“ war, belegt seine

Schilderung der Ereignisse, die er am

1. Februar in einem Brief an seinen kurz

zuvor wegen fehlender Überzeugung so

stark kritisierten Vater darlegte. Er

sprach darin mit Blick auf den Angriff

von einer „wundervollen Zeit“. Da Muni-

tion „in rauen Mengen zur Verfügung“

gestanden habe – bei der Wehrmacht

längst keine Selbstverständlichkeit mehr –,

habe er „klotzen“ und den Brückenkopf

„gegen 100-fach überlegenen Feind“ halten

können. Günther war angesichts der eigenen

Leistung begeistert: „120 Mann boxten täg-

lich mehrmals die Masse einer Division

zurück. Was unsere Infanteristen dort

geleistet haben, davon kann sich nur

schwer einer eine Vorstellung machen.

Mehrmals am Tage zurückgeworfen,

stürmten sie immer wieder, mit Unter-

stützung unserer Werfer, mit brüllendem

Hurra! vorwärts und warfen sich wider

den Ami.“ Dann entfaltete er eine Durch-

haltepropaganda, wie sie Goebbels und

sein Ministerium kaum besser hätten for-

mulieren können: „Wenn man solches

Heldentum, und es war wirkliches Helden-

tum, miterleben konnte, dann kann man

nur an den Sieg glauben. Solche Soldaten

sind nicht kleinzuzwingen, und der Sieg

muss letzten Endes ihnen sein.“ Auch

wenn der 20-jährige Leutnant eingestehen

musste, dass es „im Augenblick wahrlich

nicht rosig“ aussehe und „der Iwan“ bereits

in Küstrin, Schwerin und Frankfurt ste-

he, sei es unumgänglich, gerade „jetzt

stark zu bleiben“: „Wir dürfen den Kopf

nicht hängen lassen, sondern höchstens

noch höher halten. Jetzt in der Krisis erst

recht!!“ Er selbst jedenfalls sei „wirklich

unendlich froh, jetzt im Einsatz stehen zu

können“.

An seiner Euphorie änderten auch die

Eindrücke nichts, die Günther Roos vom

7. bis zum 10. Februar im Rahmen einer

Dienstreise bei einem kurzen Aufenthalt

in Brühl sammeln konnte. „Mutter ist

nur noch ein Nervenbündel“, berichtete

er Vater Toni hierüber vier Tage später:

„Jeder LKW, der auf der Straße aufbrummt,

1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“

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1945