Table of Contents Table of Contents
Previous Page  90 / 300 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 90 / 300 Next Page
Page Background

114 /115 /

Titelblätter des

Illustrierten Beob­

achters

aus den

Jahren 1939 und

1941. Neben Führer-

verehrung und Be-

richten über Erfolge

im Krieg vermittelten

die Hefte massen-

haft rassistisches

Gedankengut.

115

114

entliehenen Bücher zurückgegeben habe, weil die Borromäus-

Bibliothek schließen müsse. Ab Januar 1941 wurde sie dann

durch die neue „Volksbücherei“ im Gymnasium ersetzt, die von

einem dort tätigen Studienrat geleitet wurde.

Für Günther und seine zu jenem Zeitpunkt domi-

nierenden Lesegewohnheiten änderte sich durch die

Schließung der Pfarrbücherei offenbar einiges. Seine

„bevorzugte Literatur“, so erinnerte er sich später,

habe sich aus den Bänden von Karl May, Abenteuer-

romanen wie jenen von Jack London, aus Berichten

von Forschungsreisen beispielsweise des mit dem

NS-Regime eng verbundenen Sven Hedin oder von

Wilhelm Filchner sowie aus geschichtlichen Romanen

von Felix Dahn oder Mirko Jelusich zusammenge-

setzt. Dabei machte er im Rückblick einen deutlichen

Unterschied im entsprechenden Angebot der beiden

Bibliotheken aus: In der kirchlichen Borromäus-Bücherei habe es beispielsweise die Karl-May-Bände

gegeben, die in der „Volksbücherei“ völlig gefehlt

hätten. In deren Bestand hätten sich dagegen zahl-

reiche NS-affine „Geschichtswerke“, solche zu For-

schungsreisen oder über die Erfolge deutscher Wissen-

schaftler gefunden – Inhalte, die nun offenbar deut-

lich stärker in Günthers Fokus rückten.

Anders als die bis dahin bevorzugten Bücher von

Karl May oder Jack London waren die Werke Hedins

und die von Jelusich aber alles andere als harmlos und

unpolitisch. Insbesondere Letztgenannter verherr-

lichte in seinen historischen Romanen über Hannibal,

Caesar, Heinrich den Löwen, Oliver Cromwell oder

Gerhard von Scharnhorst das „Führertum“ und

dürfte in dieser Hinsicht auf den so lese- wie zu­

sehends auch machthungrigen Günther nicht ohne

Einfluss geblieben sein.

Besonders begeistert zeigte er sich auch von dem

1 300 Seiten umfassenden Werk

Die weißen Götter

von Eduard Stucken, das er – vielleicht als erste Aus-

leihe aus der „Volksbücherei“ – im Januar 1941 las.

Das Buch habe ihn damals „tief beeindruckt“, er-

zählte Günther Roos später über dieses Leseerlebnis.

Zum einen habe ihn die Sprache derart begeistert,

dass er das Buch seitenweise in eine Kladde abge-

schrieben habe. Zum anderen habe ihn aber „er-

schüttert“, „wie eine Handvoll Abenteurer im Na-

men des Christentums brutal eine Hochkultur“ ver-

nichtetet habe. „Nach der Lektüre des Buches war

ich tief traurig und ebenso tief empört.“ Stucken galt

im Übrigen als regimetreuer Autor und hatte 1933

ein von mehreren Schriftstellern unterzeichnetes, an

Hitler gerichtetes „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“

unterzeichnet. Seine politischen und antikirchlichen

Günther Roos und die Medien seiner Zeit

88