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Verkauf der speziell an Mitglieder der

Hitlerjugend gerichteten Zeitschriften

Illustrierte Fanfare

vor dem Brühler Hotel

„Belvedere“ im Frühjahr 1934 (oben) und

Fanfare

auf dem Brühler Marktplatz im

Herbst 1933 (unten)

116

Ansichten dürften den 16-jährigen Günther beeinflusst haben.

„Das Buch war sehr gut“, notierte er jedenfalls nach Abschluss

der Lektüre am 15. Januar 1941.

Günther scheint aber – zumindest zu dieser Zeit – keineswegs

ausschließlich NS-orientierte Literatur verschlungen zu haben.

So lieh er sich am Sonntag, nachdem er

Die weißen Götter

ausge-

lesen hatte, in der „Volksbücherei“ gleich zwei Bücher aus, die

eher einen katholischen Hintergrund hatten. Innerhalb von einer

Woche las er das 1930 erschienene

Herr Johannes

von Ludwig

Mathar und das 1924 herausgekommene

Die Soldaten der Kaiserin

von Juliana von Stockhausen. Kurz darauf zeigte er sich dann

begeistert von dem „fabelhaften“ Buch

Und sie be-

wegt sich doch

, einer Biografie über Galileo Galilei

von Zsolt Harsányi.

Im Hause Roos wurden aber keineswegs nur Bü-

cher gelesen. Insbesondere Mutter Elisabeth war

eine begeisterte Konsumentin von Zeitschriften, die

offensichtlich in erheblichem Umfang und in

wöchentlichem Rhythmus durch einen „Lesezirkel“

bezogen wurden. Jeden Samstag, so erzählte Gün-

ther Roos später, seien die neuen Hefte ins Haus ge-

liefert worden. Seine Mutter habe diesen Tag stets

als „Stierentag“ bezeichnet, weil sie gemeinsam mit

ihren Söhnen „nur in die Hefte gestiert habe“ und

alle drei dann „nicht ansprechbar“ gewesen seien.

Man bezog in jedem Fall den Illustrierten Beobach-

ter, die offizielle Wochenillustrierte der NSDAP, aber

auch noch weitere, namentlich nicht genannte

Unterhaltungsblätter. Außerdem las man spätestens ab Juni 1940

auf Anregung von Vater Toni die von Goebbels herausgegebene

Zeitschrift Das Reich und befand sie – in den Worten von

Bruder Gustav – als „wirklich in Ordnung“ und den Preis von 30

Pfennig wert. Man darf mit großer Sicherheit annehmen, dass

auch Günther diese Zeitschriften las.

[

Ü

16]

Die Frage, ob er neben solchen Zeitschriften auch Blätter

konsumierte, die sich dezidiert an Jugendliche in der Schule

(etwa die

Hilf mit!

) oder in der Hitlerjugend

(Die Fanfare)

wand-

ten, muss offenbleiben, da er sich hierzu nicht im Tagebuch ge-

äußert hat. Sicher ist hingegen, dass sowohl

Die Fanfare

als auch

die stärker bebilderte und unterhaltende

Illustrierte Fanfare

in

Brühl verkauft und offensiv beworben wurden. Es wäre daher

verwunderlich, wenn der junge und lesehungrige Günther auch

in Zeiten, als er noch kein Tagebuch führte, solche Zeitschriften

nicht ebenfalls rezipiert hätte.

[

Ü

17]

Von klein auf, also seit er lesen gelernt hatte, verschlang Günther

Roos nach eigenemBekunden in großemUmfang und mit Begeister­

ung sämtliche Bücher über den Ersten Weltkrieg, denen er habhaft

werden konnte. „Da wollte man natürlich auch mal so ein Held

werden“, brachte er seine damalige Schlussfolgerung rückblickend

auf den Punkt. Einen besonders „kindgerechten“ Zugang zu Mili-

tär und Politik boten dabei die zahlreichen Zigarettenalben, die der

117

16 Ü Illustrierte der NS-Zeit 17 Ü Die „Illustrierte Fanfare“

Günther Roos und die Medien seiner Zeit

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