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schrecklich aus. Zwei Häuser vollkommen demoliert.

Ein Baum liegt quer über die Straße. Die ganze Stra-

ße voller Schutt und Glas. Auf der Kölnstraße sind

auch Bomben gefallen. Wir hin. Hier sieht es auch

nicht besser aus. Sämtliche Schaufenster kaputt. Hier

hat es auch Tote gegeben. Frau Krings mit zwei

Kindern, ein Kind blind. Auf der Bahnhofstraße ein

Kind tot. Der Blumes Junge ist verschüttet. Es ist ein-

fach schrecklich!“

Auch sonst hielt das Frühjahr 1941 Ereignisse be-

reit, die bei allem Siegestaumel zugleich als erste

Alarmzeichen gedeutet werden konnten und mit ent-

sprechenden Kommentaren Eingang in das Tage-

buch fanden. „Rudolf Heß, Rudolf Heß! Etwas ande-

res hört man nicht“, heißt es etwa unter dem 13. Mai

mit Blick auf den Flug des „Führer-Stellvertreters“

Rudolf Heß nach Großbritannien. In der Schule sei-

en „die tollsten Gerüchte“ kursiert, bis im Radio mit-

tags genauere Informationen über dessen Absprung über

Schottland mitgeteilt worden seien. Günther Roos sah sich of-

fenbar bereits ganz als NS-Führer und urteilte entsprechend

derb und unerbittlich: „Der Kerl gehört auf den Scheiterhaufen.

D

ie Folgen kann man noch gar nicht übersehen. Scheiße.“

[

Û

55]

Rudolf Heß

Der am 26. April 1894 in Alexandria geborene Heß zählte 1920 zu den ersten Mitgliedern der

NSDAP. Die besondere Vertrauensstellung, die er bei Hitler genoss, resultierte aus seiner

Teilnahme am Putschversuch 1923 und der folgenden gemeinsamen Haftzeit, in der er seinem

„Führer“ beim Verfassen von

Mein Kampf

assistierte. 1925 wurde er dessen Privatsekretär.

Nach der Machtübernahme wurde Heß Reichsminister ohne Geschäftsbereich und Ober­

gruppenführer der SS. Am 21. April 1933 wurde er zum „Stellvertreter des Führers“ ernannt und

beteiligte sich in der Folge am Aufbau von „Führerstaat“ und „Hitler-Mythos“. Er gewann er­

heblichen Einfluss auf die staatliche Politik, sodass zahlreiche Gesetzeswerke ab 1934 die Unter-

schrift von Heß trugen. Insbesondere bei der Annexion Österreichs und des Sudetenlandes

1938 spielte er eine wichtige Rolle im Hintergrund.

Am 10. Mai 1941 kam es zum Eklat, als Heß einen geheimen Flug nach Glasgow unternahm,

wo er mit dem Fallschirm absprang. Anschließend wurde er in London interniert. Es ist bis heute

nicht geklärt, ob er diesen Versuch, einen Friedenschluss mit England im Vorfeld des Überfalls

auf Russland zu erreichen, auf eigene Initiative unternahm oder von Hitler dazu angeregt wurde.

Die NSDAP-Führung distanzierte sich jedenfalls von ihm, erklärte ihn zum „Verräter“ und für

geisteskrank.

Heß wurde bis Kriegsende in England festgehalten und anschließend zu lebenslanger Haft

verurteilt, die er bis zu seinem Tod am 17. August 1987 als letzter Häftling im Kriegsverbrecher-

gefängnis in Berlin-Spandau absaß.

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55 Ü Der Heß-Flug

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1941: „Ein neues, starkes Volk wächst heran. Und ich bin dabei!“