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aus den einleitenden, wieder von Manfred

Mammel und Günther Roos gedichteten

Versen einer weiteren dieser „Bier-Zeitun-

gen“ zu entnehmen ist. Vermutlich im

Frühsommer 1942 hieß es:

Das heut’ge Fest mög’ unserem Streben

gleichen, / Ernst sei der Sinn und froh die

Melodie, / Es steht in der Freude hehren

Zeichen, / Es sei ein Fest der schönsten

Harmonie. / Lasst in Freude uns genießen,

/ Was die Stunde Frohes bringt. / Nicht

durch Sorg lass dich verdrießen, / Wenn

dein Nachbar lacht und singt; / Denn wo

Lieder froh erschallen, / War noch stets der

beste Hort. / Dorthin kannst in Frieden

wallen, / Böse Menschen treibt’s da fort. /

So, nun lasst uns froh beginnen. / Doch zu-

erst woll’n wir den Moses singen.

[

Û

61]

Mit der letzten Zeile ist jenes unsäg­

liche, antisemitisch umgedichtete Lied

gemeint, das bereits an anderer Stelle die-

ses Buches zitiert wurde.

⁷⁹

Auf diese Weise

wurde also in einer Zeit, in der praktisch

vor aller Augen die Deportationen der jü-

dischen Bevölkerung durchgeführt wur-

den, eine sich fröhlich gebende Feier von

Heranwachsenden eröffnet. Unter solchen

Umständen wird es vorstellbar, dass diese

am Schicksal ihrer früheren Nachbarn

und Mitschüler tatsächlich keinerlei An-

teil nahmen.

Günther Roos war, nicht zuletzt durch

die antisemitischen Ausfälle in den Brie-

fen seines Vaters aus der Ukraine, in die-

ser Frage ohnehin längst festgelegt und

von der rassistischen Politik des NS-Regimes von tiefstem Herzen überzeugt.

Diese Übereinstimmung brachte er auch

bei einem anderen damals kontrovers

diskutierten Thema zum Ausdruck. Be-

reits am 20. Oktober 1941 hatte er im

Tagebuch notiert: „Nachmittags war ich

im Religionsunterricht. Haben uns über

die Euthanasie gestritten und über die

Sterilisation. Ich war dafür. Er [der Pfarrer]

konnte auch keinen schlagenden Gegen-

beweis antreten.“

⁸⁰

Im Frühjahr 1942 hatte sich zwar nicht

Günthers Meinung in dieser Frage, wohl

aber seine Funktion bei deren Behand-

lung erheblich verändert. Nun war er kein

wurden der Ernst und die Bedeutung der

Arbeit der Hitlerjugend nicht in Zweifel

gezogen. So schloss etwa das auf den

März 1942 zu datierende Exemplar:

So haben wir eure Schwächen kritisiert

/ und haben uns daran köstlich amüsiert /

doch jetzt lasst uns reden ein ernstes

Wort: / Zuerst müssen wir arbeiten immer

fort / dann erst feiern wir frohe Feste / mit

Musik, Vergnügen und lustigen Gästen: /

Erst die Arbeit, dann das Spiel / das ist ein

Wort, daran könnt ihr lernen viel. / Für

die kommende Arbeit gilt uns die Weisung

/ und ihr sollt dafür sorgen, dass sie bleibt

die Losung: / Der Bann 65 ist ganz groß, /

doch im Standort Brühl ist am meisten los.

/ Es haben die Verse ausgedacht, / die ihr

mehr oder weniger habt belacht: / Ein

Jungstammführer und sein Genoss‘ / Man-

fred Mammel und Günther Roos.

Außerdem gilt es hinsichtlich der vor-

geblichen Heiterkeit und Ungezwungen-

heit der „Kameradschaftsabende“ der

Brühler Hitlerjugend auf einen weiteren

wichtigen Aspekt hinzuweisen. Auch bei

solchen Gelegenheiten war im katholi-

schen Brühl mittlerweile der Antisemitis-

mus wie selbstverständlich präsent, wie

195

196

195/196/

Auch außerhalb der „Kameradschafts-

abende“ ein Unterhaltungstalent:

Günther Roos bei einem panto­

mimischen Vortrag des Gedichts

„Die Kapelle“, um 1940/41

61 Ü Bierzeitungen

1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“

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