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Nürnberger Prozesse

Bereits am 1. November 1943 hatten die Alliierten beschlossen, die Verantwortlichen für den

Zweiten Weltkrieg und die in dessen Rahmen begangenen Gräueltaten strafrechtlich ver­

folgen zu wollen. Daher wurde am 8. August 1945 im Londoner Vier-Mächte-Abkommen die

Einrichtung eines Internationalen Militärtribunals (International Military Tribunal, IMT) vereinbart.

Nürnberg wurde wegen der intakten Infrastruktur des dortigen Justizapparates einerseits

aus praktischen, wegen seiner Bedeutung als Austragungsort der NSDAP-Reichsparteitage

andererseits aber auch aus symbolischen Gründen ausgewählt. Damit hatte erstmals in

der Geschichte ein internationales Gericht die Vollmacht, führende Vertreter eines Staates

persönlich für Verletzungen des Völkerrechts zur Rechenschaft zu ziehen. Der IMT kann

somit als Vorläufer des heutigen Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gelten.

Im Dezember 1945 schufen die Alliieren mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 eine einheitliche

Rechtsgrundlage zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechen in den jeweiligen Besatzungs­

zonen. Der Gerichtshof bemühte sich anschließend um ein strafrechtliches Verfahren nach

rechtsstaatlichen Grundsätzen mit gründlicher Beweisaufnahme, Prozessordnung und

Verteidigung der Angeklagten, was aber Kritik von verschiedenen Seiten nicht verhindern

konnte. Die Weltöffentlichkeit verfolgte den ersten Prozess mit größtem Interesse; den

Menschen in Deutschland öffnete er endgültig die Augen über das ganze Ausmaß der unfass-

baren Verbrechen, die unter NS-Herrschaft in ihrem Namen begangen worden waren.

Im ersten der Prozesse, der vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 dauerte, wurden

24 hohe NS-Funktionäre, Regierungsmitglieder und Generäle der Wehrmacht als „Haupt-

kriegsverbrecher“ angeklagt. Ihnen wurden Verbrechen gegen den Frieden durch die

Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen zur Last gelegt, außerdem Verbrechen gegen

die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Hierzu zählten beispielsweise die Ermordung

von Kriegsgefangenen, Folterungen, Plünderungen, Zwangsverschleppungen sowie die

Verfolgung aus rassischen, religiösen und politischen Gründen. Es wurden zwölf Todes­

urteile ausgesprochen und weitere langjährige Haftstrafen verhängt, während drei der Ange-

klagten freigesprochen wurden. Außerdem wurden SS, Gestapo, Sicherheitsdienst und

das NSDAP-Führerkorps vom Reichsleiter bis zum Ortsgruppenleiter zu verbrecherischen

Organisationen erklärt.

Im Anschluss an den „Hauptkriegsverbrecherprozess“ wurden zwischen 1946 und 1949

zwölf sogenannte Nürnberger Nachfolgeprozesse durchgeführt, in denen 177 hochrangige

Mediziner, Juristen, Industrielle, SS- und Polizeiführer, Militärs, Beamte und Diplomaten

angeklagt und verurteilt wurden, 24 von ihnen zum Tode, 20 zu lebenslanger Haft und

98 zu teilweise langjährigen Freiheitsstrafen. 25 Angeklagte wurden freigesprochen.

fahrens gegen frühere NS- und Wehrmachtsgrößen deutlich, die

Günther in seinem Tagebuch unternahm: „In Nürnberg ist nun

der große Prozess. Viel Tamtam wird ja dort gemacht. Aber ich

kann nicht alles so vorbehaltslos glauben. Zwar habe ich mehrere

Zusammenhänge erkannt und sehe sie jetzt anders als damals,

aber ich kann meine Gesinnung nicht so wie ein Hemd wech-

seln. Und was man dort verurteilt, dass der Stärkere den Schwä-

cheren überfällt, um bessere Lebensbedingungen zu haben, ja,

ist das denn nicht einfaches Naturgesetz? Und sie taten es ja

nicht für sich, sondern für die Zukunft unseres Volkes, für

1945: „Man muss schon fanatisch sein, und das bin ich ja, Gott sei Dank.“

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