Table of Contents Table of Contents
Previous Page  274 / 300 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 274 / 300 Next Page
Page Background

er alliierter Bestimmungen plötzlich in-

frage gestellt war: „Von dem Rang eines

Scharführers an aufwärts ist ein Studium

untersagt. Und ich war Oberjungzug­

führer, war also noch einen Dienstgrad

höher. Prost Mahlzeit! Was nun? Ich stehe

dann tatsächlich vor einem Nichts. Die

einzige Hoffnung ist, dass bis zur Beendi-

gung meines Praktikums eine Änderung

eingetreten ist. Sonst bin ich am Arsche

des Propheten.“

Akuter noch war die überaus schlechte

Ernährungslage. Am 20. April kommen-

tierte er zunächst das für ihn nach wie

vor bedeutsame Datum: „Führers Ge-

burtstag! Das war einmal. Die Zukunft

wird erst erkennen können, ob Genie

oder Wahnsinniger. Die Zukunft kann

erst seinen Wert und seine Bedeutung

für die Zukunft Europas ermessen“, um

anschließend die aktuelle Situation zu

beschreiben, die nach Günthers Angaben

„mehr als beschissen“ war: „Die Verpfle-

gung ist saumäßig. Wir sind tatsächlich

am Hungern. Kein Mensch kann mit die-

sen knappen Zuteilungen auskommen.“

Eine Woche darauf spitzte sich die Lage

angesichts des nahenden Abiturs weiter

zu. „Es ist mehr wie beschissen! Wir

haben nichts mehr außer Kohldampf.“ Er

fühle sich, so kommentierte Günther

Roos seine Befindlichkeit, „schlapp wie

eine Klosettfliege“. „Und am Montag

steigt das Abi mit der schriftlichen Prü-

fung.“ Die Schuld an dem aktuellen

Zustand sah er – wie so viele Deutsche –

immer noch nicht bei sich selbst, sondern

bei den ehemaligen Kriegsgegnern. „Freut

euch des Lebens und ein Hoch unseren

Befreiern“, fügte er in einem neuerlichen

Anflug von Sarkasmus hinzu, um ab-

schließend einen zu jener Zeit auch in

Brühl geläufigen bitteren Vers zu zitieren:

„‚Gott, schicke uns das Fünfte Reich, das

Vierte ist dem Dritten gleich.‘ – Oder

noch schlimmer!“

Kalter Krieg

„Kalter Krieg“ wird der Konflikt zwischen den Westmächten unter Führung der USA und

dem Ostblock unter Führung der Sowjetunion genannt. Er dauerte vom Ende des

Zweiten Weltkriegs bis 1989 – die „heißeste“ Phase lag zwischen 1947 und 1972 – und

wurde mit nahezu allen Mitteln, jedoch ohne direkte militärische Auseinandersetzung,

als Systemkonfrontation zwischen Kapitalismus und Kommunismus ausgetragen.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war von einem Ost-West-Konflikt noch nicht viel

zu spüren gewesen. Spätestens mit dem Tod des amerikanischen Präsidenten Roosevelt

am 12. April 1945 zerbrach dann jedoch die Anti-Hitler-Koalition, weil es ein Hauptziel

von dessen Nachfolger Truman war, eine Ausbreitung des Kommunismus in Europa

zu verhindern. Innerhalb von zwei Jahren verschlechterte sich das Klima zwischen den

Supermächten USA und Sowjetunion daher dramatisch. Am 5. März 1946 sprach

der britische Premier Winston Churchill in einer berühmt gewordenen Rede erstmals

von einem „eisernen Vorhang“, der Europa teile. Als der amerikanische Journalist

Walter Lippmann 1947 dann ein Buch mit dem Titel „The Cold War“ veröffentlichte,

hatte diese Ära auch einen Namen bekommen. Im gleichen Jahr formulierte der

US-Präsident die nach ihm benannte Truman-Doktrin, nach der die USA all jenen

Staaten zu helfen versprach, die vom Kommunismus bedroht würden.

Der neue Kurs umfasste auch ein gigantisches Aufbauprogramm für die kriegsgeschä-

digte europäische Wirtschaft: den Marshallplan. Als Stalin den osteuropäischen

Ländern die Teilnahme an diesem US-Programm untersagte, deutete sich die Teilung

der Welt an, die dann mit der Bildung des Westblocks und der im Juni 1948 in den West­

zonen durchgeführten Währungsreform ihren ersten formalen Ausdruck fand.

Erste Nachkriegsjahre: „Mein Ziel ist der Aufbau einer Existenz.“

272