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Klassenlehrer gewesen, der schon zu Be-

ginn der NS-Zeit nie vergessen hatte, seine

Tätigkeit als Frontoffizier im Ersten Welt-

krieg zu betonen, und keine Gelegenheit

ausließ, den Militarismus in den Köpfen

seiner Schüler zu fördern. Nun fragte er

seine oft am Leib verletzten, in jedem Fall

aber an der Seele geschundenen Schüler

und Ex-Soldaten nach deren jeweiligen

Dienstgraden bei der Wehrmacht, um an-

schließend festzustellen, dass er damit ja

als ehemaliger Hauptmann noch immer

der diensthöchste Offizier im Klassen-

raum sei. Noch erstaunter, so Günther

Roos weiter, habe er aber die Tatsache zur

Kenntnis genommen, dass insbesondere

jene Lehrer, „die früher immer mit dem

Parteiabzeichen am Revers zum Unter-

richt kamen und uns auch mit zum Natio-

nalsozialismus erzogen hatten“, sich nun

überraschenderweise besonders gern und

lautstark als aktive Antifaschisten zur

Schau gestellt hätten. Das habe insbeson-

dere für jenen Studienrat gegolten, der

am 10. November 1938 mit seiner Klasse

an der brennenden Brühler Synagoge

vorbeigezogen sei und dabei ein offen

antisemitisches Lied angestimmt hätte.

All diese Lehrer waren nun wieder am

Gymnasium aktiv und hatten vor dem

Entnazifizierungsausschuss beteuert, ihre

Schüler im Sinne von Demokratie, Tole-

ranz, Frieden und Freiheit zu erziehen.

Im September 1946 musste Günther

seinerseits den zwischenzeitlich auch in

der britischen Zone eingeführten aus-

führlichen Fragebogen ausfüllen und sich

erneut vor dem Brühler Entnazifizie-

rungsausschuss rechtfertigen. Das war

nicht zuletzt durch die für ihn erfreu­

liche Tatsache notwendig geworden, dass

die Westalliierten Anfang Juli eine Ju-

gendamnestie für all jene verkündet hat-

ten, die nach dem 1. Januar 1919 geboren

waren. „Gott sei Dank“, kommentierte er

diese Anordnung am 3. August im Tage-

buch. „Nun stehen mir die Wege zum

Beginn eines Studiums offen. Hoffentlich

kann ich nun auch bald beginnen.“ „Rein

formell betrachtet“, so merkte er aber zu-

gleich an, betrachte er schon den Begriff

250 /

Erste Seite des ausführlichen Frage-

bogens, den Günther Roos im Rah-

men des Entnazifizierungsverfahrens

im März 1947 ausfüllen musste

250

bleme

gehabt,

die

ja nach wie vor vergleichsweise junge

Männer, zugleich aber auch „alte Krieger“

waren und sich selbst auch so verstanden.

Andere wiederum hätten „einen verständ-

nisvollen und fast kameradschaftlichen

Ton“ gefunden. Störend empfand Günther

das Auftreten jener Lehrkräfte, die sich in

den Jahren zwischen 1933 und 1945 entwe-

der als ausgeprägte Militaristen gezeigt

und/oder als überzeugte Nationalsozialis-

ten gebärdet hatten. Typisch sei die erste

Unterrichtsstunde bei seinem früheren

Erste Nachkriegsjahre: „Mein Ziel ist der Aufbau einer Existenz.“

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