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zwar gelesen haben, in seinen Ausfüh-

rungen gab er sie jedoch nicht wieder. Sie

lautet: „Das Kunststück ist geleistet und

das Griechische und das Pfäffische zu-

sammengebracht. Ich will Schopenhauer,

Wagner und das ältere Griechentum zu-

sammenrechnen: es gibt einen Blick auf

eine herrliche Kultur.“ Damit wird der

antiklerikale Charakter der Passage noch

deutlicher, der sich passgenau in sein da-

maliges Denken einfügte.

Entsprechend fielen seine eigenen, weit-

gehend auf NS-Linie liegenden Gedanken

aus, die er über die zitierte Nietzsche-

Passage zu Papier brachte. In der Kultur,

so hieß es etwa, würden sich „die Seele des

Volkes, die Werte seines Blutes“ wider­

spiegeln. Das alte Griechentum aber sei

durch „Rassengemisch“ geschwächt gewe-

sen, weshalb ihm „die einheitliche Volks-

seele“ gefehlt habe. Das derart angeschla-

gene Griechenland sei dann von Rom

und schließlich vom dort eindringenden

Christentum übernommen worden, das

ein „syrisch-asiatisch-jüdisch-negroides

Völkergemisch“ vorgefunden habe. Das

Christentum, so fuhr der munter philoso-

phierende Günther fort, habe zwar äußere

Formen wie etwa jene der Basilika über-

nommen, sie aber mittels „nordischen

Geistes“ seinem „Wesen“ angepasst und

zur romanischen Kirche und dem goti-

schen Dom weiterentwickelt. Hier seien

schließlich keine „griechisch-römisch-

christlichen“ Einflüsse mehr spürbar, son-

dern immer wieder breche „nordischer

Geist durch die Fesseln“. Daher, so seine

Schlussfolgerung, baue das Abendland

eben nicht auf christlicher Kultur, son-

dern auf deren konsequenter Verarbeitung

und Weiterentwicklung durch besagten

„nordischen Geist“ auf.

„Also sprach Günther Roos“, möchte

man in Anlehnung an Nietzsches Werk

formulieren, denn der frischgebackene

„Arbeitsmann“ nutzte seine RAD-Zeit,

um den in Germeter initiierten Prozess

zur Festigung seines NS-Weltbildes und

seiner inneren Überzeugungen konse-

quent fortzusetzen. So las er neben Nietz-

sche und Rosenberg etwa die

Deutschen

Thesen gegen den Papst und seine Dunkel-

männer

, die unter zeittypischer Umbe-

nennung eines Werkes von Oskar Paniz-

za

⁸³

1940 in hoher Auflage erschienen wa-

ren. Auf seiner Literaturliste stand zudem

der überzeugte Nationalsozialist und

glühende Hitler-Verehrer Reinold

Muschler, den Günther „ganz ge-

waltig“ fand. Er war derartig be-

eindruckt, dass er während der

Lektüre des Buches

Weg ohne Ziel

eine eigene Sammlung von Zita-

ten anlegte. Hierzu zählten etwa

„Vergessen wir nie, dass das Den-

ken nur dann einen Wert hat,

wenn es dem Leben gilt, und dass

es die Tragik der Wissenschaft ist,

das Leben dem Denken unterord-

nen zu wollen. Damit gräbt sie

sich selbst das Grab, denn Blut ist

stärker als der Verstand“ oder „Im

Christentum ist Gott weniger Va-

ter als Behörde“.

Eine wesentliche Stütze bei der

Entwicklung seines Weltbildes

fand Günther in den drei Mona-

ten des Arbeitsdienstes in Unter-

feldmeister Knobloch, mit dem er hierauf

zielende Fragen immer wieder diskutierte

und sich so auf der Suche nach neuer Ori-

entierung inspirieren ließ. „Heute Mor-

gen war der Unterfeldmeister Knobloch

bei uns“, berichtete er etwa am 18. Juli.

„Haben über Religion bzw. das Christen-

tum gesprochen. Für ihn gibt es nichts

außer seinem Vaterland, keinen Gott, kein

Jenseits. Das ist nichts für mich. Für mich

steht es außer Zweifel, dass es einen Gott

gibt. Das ist aber weder Allah noch Jehova.

Sie haben Züge, die mir nicht gefallen.

Also gibt es für mich einen besonderen

Gott.“ Über den hatte er sich bereits Ge-

danken gemacht:

„So ist mein Gott groß und schön, all-

wissend und allmächtig, allgerecht und

treu. Er setzt mich auf die Welt, gibt mir

mit dem Blut Gutes und Böses und sagt:

‚So, ich setzte dich mit allem Rüstzeug auf

die Welt, siehe du jetzt, dass du dich be-

währst, dass du dich meiner würdig er-

weist, und versuche mir nahezukommen.

207

206/

Abendliches Kartoffelschälen

vor der Baracke während

des Reichsarbeitsdienstes in

Kamperfehn, Sommer 1942.

Günther Roos ganz rechts

207 /

Günther Roos (rechts) im

RAD-Einsatz beim Umgraben

des Gartens, Sommer 1942

1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“

205

1942