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erkannte der ab 1920 in Brühl amtierende Oberpfarrer Heinrich

Fetten zunächst „unverkennbar viel Gutes und Gesundes in den

Maßnahmen der Regierung“, machte ausweislich der Pfarrchronik

aber auch „fundamentale Fehler“ aus, „die namentlich den katho-

lischen Volksteil schwer treffen“ würden.

³⁴

Nachdem sich die

Kirche und die ihr nahestehenden Vereine am „Tag

von Potsdam“ noch einhellig für die „neue Zeit“

engagiert hatten, kehrte bald Ernüchterung ein.

Das gesamte kleinstädtische Leben hatte sich bis

zur NS-Machtübernahme weitgehend am kirchlichen

Feierkalender orientiert, wobei neben den frommen

Festtagen stets dem Karneval und der zweimal jähr-

lich stattfindenden Kirmes große Bedeutung zu-

kam.

³⁵

Das änderte sich nach 1933 insofern, als nun-

mehr die auch in Brühl mit einigem Pomp begange-

nen NS-Feierlichkeiten das Feierjahr mitbestimmten,

ohne allerdings die kirchlich orientierten Veranstal-

tungen und deren Trägervereine zu verdrängen.

³⁶

So

legte die katholische St. Sebastianus Schützenbruder-

schaft am 24. Mai 1933 zwar eine „Treuegelöbnis“ auf

die „nationalen Regierung“ ab, feierte danach jedoch

weiterhin Kirmes und Schützenfest – nicht selten

über politische Grenzen hinweg – als zentrale Be-

standteile des kleinstädtischen Lebens. Das galt – zu-

nächst – auch für die Fronleichnamsprozession und

andere kirchliche Hochfeste. Kirchenkalender und Volksfröm-

migkeit bestimmten das Leben in Brühl also auch über 1933

hinaus maßgeblich.

³⁷

Das traf allerdings keineswegs auf die katholischen Jugendor-

ganisationen zu, die auch in Brühl schnell heftigen Gegenwind

zu spüren bekamen und in schneller Folge empfindliche Eingrif-

fe in ihre Bewegungsfreiheit und Handlungsmöglichkeiten hin-

nehmen mussten. So beklagte sich mit Oberpfarrer Fetten der

wichtigste kirchliche Repräsentant in Brühl 1934 in der Pfarr-

chronik darüber, dass den katholischen Jugendvereinen trotz

der Bestimmungen des Reichskonkordats das Tragen ihrer Uni-

form und jede öffentliche Betätigung verboten worden seien.

³⁸

Stattdessen werde der „totale Staat“ angestrebt, „der nur eine

deutsche Jugend wolle“, nämlich die Hitlerjugend. In Fragen der

Erziehung, so sein desillusioniertes Brühler Fazit schon für

das Jahr 1934, sei „die Kirche ganz ausgeschaltet“. Das war ihr

unter anderem am 20. Mai 1934 in aller Deutlichkeit vor Augen

geführt worden, als die Verteilung des Flugblatts „Vom guten

Recht der katholischen Jugend“ in der Kirche in Brühl-Pingsdorf

polizeilich verboten worden war. Als der Pfarrer tags darauf

dessen Text stattdessen von der Kanzel verlesen hatte, wurde bei

ihm – wohl aus Gründen der Abschreckung – auf Anordnung

der Gestapo eine Hausdurchsuchung durchgeführt.

³⁹

Die unmittelbaren Folgen derartiger Drangsalierungen, die

zugleich mit massiven Werbeaktionen der Hitlerjugend gepaart

waren, blieben nicht aus. Zahlreiche Mitglieder verbotener oder

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Schützenfest in Brühl 1933.

Links, sitzend: Günther Roos̓

Vater Anton

Die Kleinstadt

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