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zur Wehrerziehung veröffentlicht, die nunmehr „den

ganzen Menschen in allen seinen Lebensäußerungen“

zu erfassen hatte, weshalb neben die praktische

Vorbereitung auf einen Kriegseinsatz gleichberech­

tigt die politische, weltanschauliche, kulturelle

und berufliche Erziehung treten sollte. Mit anderen

Worten: Neben die „Wehrfähigkeit“ sollte nunmehr

eine „Wehrfreudigkeit“ treten. Das hing natürlich

mit der veränderten Form des Krieges im Osten zu­

sammen, der von Beginn an auch als Weltanschau­

ungskrieg geführt wurde und entsprechend vor­

bereitete „osttaugliche“ Rekruten verlangte. Ein

hoher Wehrmachtsvertreter brachte das im Sommer

1941 im amtlichen Organ der Reichsjugendführung

so auf den Punkt: „Ein besonders wichtiges Auf­

gabengebiet der geistigen Erziehung innerhalb der

Hitler-Jugend ist die weltanschauliche Schulung.

Kommt der junge Rekrut zur Truppe, so muss er be­

reits weltanschaulich geschult und gefestigt sein.

Die Grundfragen des Nationalsozialismus müssen

ihm zum inneren Erlebnis geworden sein.“ Nur so

sei der „Existenzkampf des deutschen Volkes“ zu

gewinnen.

Das war nichts anderes als die Forderung zu bedin­

gungsloser Todesbereitschaft. Denn gerade die

Angehörigen der Hitlerjugend hatten „dem Führer

gegenüber dafür Garant zu sein“, ihm in „unverbrüch­

licher Treue“ und mit „todesmutiger Einsatzbereit­

schaft an der Front ihren Mann“ zu stehen, wie es

bereits „ihre Brüder und Kameraden vor ihnen seit

1939“ getan und diesen Einsatz mit „dem Letzten,

mit der Hingabe ihres Lebens bewiesen“ hätten.

Die Reichsjugendführung selbst ging in dieser Frage

noch einen Schritt weiter, als sie im Dezember 1941

erklärte, die Wehrertüchtigung künftig verstärkt in

Kooperation mit der SS durchführen zu wollen, die

in den Wehrertüchtigungslagern dann – nicht selten

mit rüden Methoden – eine „Freiwilligenwerbung“

für die Waffen-SS betrieb.

Obwohl bis Kriegsende beibehalten, erwiesen sich

die Reichsausbildungslager allein bei der Schulung

der benötigten „K-Übungsleiter“⁷⁸ als bei Weitem

nicht ausreichend, zumal diese, kaum fertig ausge­

bildet, umgehend zum Reichsarbeitsdienst oder zur

Wehrmacht einberufen wurden. Das System der

schließlich zehn Reichsausbildungslager war somit

zwar der erste unter Kriegsbedingungen unter­

nommene Versuch, die für die Kriegsausbildung der

HJ notwendigen Führungskräfte unter kasernierten

Bedingungen heranzubilden, stellte sich aber auf

Dauer als zu „unwirtschaftlich“ heraus.

Angesichts der hohen Verluste an der Ostfront be­

stand ein ungeheurer Bedarf an möglichst vorberei­

teten Rekruten, weshalb Hitler auf Vorschläge der

Reichsjugendführung hin im März 1942 als erneuten

radikalen Richtungswechsel die Einrichtung von

„Wehrertüchtigungslagern der Hitlerjugend“ befahl.

Im Unterschied zu den Reichsausbildungslagern,

deren Absolventen zwar zur vormilitärischen Aus­

bildung von Jugendlichen befähigt waren, in aller

Regel aber bereits vor einem solchen Einsatz einbe­

rufen wurden und so wirkungslos blieben, sollten

in den neuen Wehrertüchtigungslagern nunmehr

sämtliche Jugendlichen eine dreiwöchige – stets

von weltanschaulichen Schulungen ergänzte –

militärische Ausbildung durchlaufen. Die Teilnahme

hieran wurde zum festen Bestandteil der Jugend­

dienstpflicht, wodurch die Jugendlichen nun wie zur

Wehrmacht „einberufen“ werden konnten.

Um das Ausmaß der im Krieg seitens der Hitler­

jugend betriebenen Wehrertüchtigung zu erfassen,

sollen hier noch einige Zahlen genannt werden: Im

April 1942 wurde das erste Wehrertüchtigungslager

in Sauerberg bei Kaub am Rhein eröffnet. Bereits

186

185

185/186/

Kölner Gymnasiasten im

Wehrertüchtigungslager

Mausbach bei Stolberg,

August 1942. Das Gelände

war kurz zuvor noch als

Sammellager für rheinische

Juden benutzt worden, bis

diese am 15. Juni 1942 von

Köln nach Theresienstadt

deportiert wurden. Hiervon

dürften die Jugendlichen

allerdings nichts gewusst

haben. Kurze Zeit später

wurden sie zur Wehrmacht

einberufen und an den

Fronten in den Kampf

geschickt.

1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“

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