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Schmerzlicher Abschied und

unverhoffter Aufstieg

Im Lauf des Jahres 1942 sollte Günther

Roos mit den eben geschilderten Abläu-

fen der Wehrerziehung konfrontiert wer-

den. Der Jahresbeginn wurde jedoch von

zwei anderen Ereignissen bestimmt. Das

eine – wohl wichtigste – war für Günther

der Besuch seines Bruders nach dessen

Lazarettaufenthalt. „Gestern Abend ist

Gustav gekommen. Hurra!! Bis 3 Uhr

sind wir aufgeblieben. Haben uns dann

noch bis 6 Uhr im Bett erzählt“, notierte

Günther am 19. Januar. Themen der lan-

gen Nacht und der folgenden Tage, so er-

innerte er sich später, seien die Erlebnisse

auf dem russischen Kriegsschauplatz ge-

wesen – „vom Land, von den Kämpfen,

von den Strapazen und vom schreck­

lichen Winter“: „Gustav erzählt meist

abends. Hochinteressant.“ Jede freie Mi-

nute versuchte Günther in den folgenden

Tagen mit seinem Bruder zu verbringen;

mit Gesprächen, gemeinsam mit dem

ebenfalls in Brühl weilenden Vater in der

Gastwirtschaft, in Köln, im Kino, im

Café – kurz: wo immer es ging. Davon

wurde er derart in Anspruch genommen,

dass er sogar die Einträge ins Tagebuch

vernachlässigte und nachholen musste.

Selbst die großen Neuigkeiten, die sich

für Günther zeitgleich im Jungvolk erga-

ben, fanden kaum Erwähnung, galt es

doch die kurze Zeit mit dem Bruder mög-

lichst intensiv auszunutzen. Am 29. Janu-

ar, kurz vor dem neuerlichen Abschied,

ließ sich die Familie noch beim Brühler

Ortsfotografen Neff porträtieren.

Dann aber war es so weit: „Um ½ 8 Uhr

sind wir, d. h. die ganze Familie, nach

Köln gefahren. Haben Vater und Gustav

an die Bahn gebracht. Die Ärmsten, jetzt

sind sie fort. Für Gustav, so glaube ich,

war es besonders hart“, heißt es unter

dem 1. Februar 1942. Noch 50 Jahre spä-

ter stand Günther Roos dieser Augen-

blick unmittelbar vor Augen: „Der Ab-

schied von meinem Bruder fiel uns bei-

den sehr schwer. Er drückte mir noch

einmal fest die Hand, umarmte mich

und sagte zum Abschied: ‚Mach’s gut,

Jünni. Ich fürchte, wir sehen uns nicht

mehr wieder.‘ Als ich abwiegelte, sagte er

noch, er habe so eine Ahnung, dass er

nicht mehr zurückkomme. Mit schwe-

rem Herzen und Tränen in den Augen

stand ich noch lange auf dem Bahnsteig,

schaute dem Zug nach und dann auf die

187/

Die letzte gemeinsame Aufnahme

der Familie Roos am 29. Januar 1942

beim Brühler Fotografen Neff. V. l.n.r.:

Günther (mit HJ-Leistungsabzeichen),

Anton (mit Parteiabzeichen), Elisabeth

und Gustav

188 /

„Vier abenteuerlustige Jünglinge

auf dem Domvorplatz in Köln am

6. Januar 1942“ kommentierte Günther

Roos (im Bild links) dieses Foto.

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1942: „Macht will ich haben! Alle sollen mich lieben oder fürchten.“

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